Der Mann jedenfalls faßt aus dem Schock dieser Reflexion über
die Möglichkeit des unbemerkten Tods des Todfeindes und der damit
einhergehenden Entlarvung der Zeit als einer Feindin einen Vorsatz: "Villari
[der falsche] versuchte, in der reinen Gegenwart zu leben, ohne Erinnerungen,
ohne Vorkehrungen; die ersten waren ihm nicht so wichtig wie letztere.
Dunkel meinte er zu fühlen, daß die Vergangenheit der Stoff
sei, aus dem die Zeit gemacht ist; deshalb verwandelt sie sich auch sofort
in Vergangenheit." (Irgendwo schreibt Borges: "Die Dichtung arbeitet mit
Vergangenheit.") Dies wäre also seine Konsequenz, um dem Modus des
Traums zu entkommen: der - notwendig vergebliche - Versuch eines Lebens
in der Gegenwart (die Beckett´schen Helden dagegen, die über
die Frage der Beschaffenheit des Gestern in schiere Verzweiflung geraten,
weil sie glauben, die Erinnerung an das gestrige Geschehen würde ihrem
Heute Substanz verleihen, empfinden das Leben in der Gegenwart als Fluch),
Leben in einer Gegenwart, die ja nach Meinung des Mannes nie Zeit ist,
weil die Zeit in ihrer Sukzession sofort zur Vergangenheit wird. (Nach
der zweiten Reflexion bekommt der Mann Zahnschmerzen und läßt
sich einen Backenzahn ziehen, man könnte sagen: den Zahn der Zeit.)
Die Existenz verlöre damit ihre teleologische Bestimmung (Warten -
als Teleologie in nuce), ihre Erfüllung fände entweder jetzt
statt oder fände nicht statt - ein Nie gäbe es ja in der
Zeitlosigkeit nicht -, oder, wie Godard einmal schreibt, "zwei Stunden
Wartezeit am Flughafen sind, glaube ich, weder Verlust noch Gewinn. Schließlich
lebt man dabei ja ebensosehr." - Was das Warten auf dem Flughafen allerdings
von dem Warten des falschen Villari unterscheidet, ist die Terminierung
- das weiß auch der Wartende noch von früher her: "In anderen
Zeiten der Zurückgezogenheit hatte er der Versuchung nachgegeben,
die Tage und die Stunden zu zählen, aber diese Haft hier war anders,
weil sie keinen Schlußtermin hatte": Villari weiß nicht, wie
lange er noch warten muß, er weiß nach diesem furchtbaren Gedanken
noch nicht einmal, ob er überhaupt noch warten muß. Und selbst
wenn auch seine Existenz ihre teleologische Bestimmung - das Warten auf
den Tod des Todfeindes - verlieren könnte, selbst wenn die zeitlose
Existenz in der reinen Gegenwart möglich wäre - die Bedingung
ihrer Möglichkeit wäre ihm allein das Warten.
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