Was kann man dagegen ausrichten?
Lem: Ein einzelner Mensch
kann sich nicht für die Gesellschaft verantwortlich fühlen. Die
ganze Welt ist eine einzige Katastrophenlandschaft. Das war immer so. Nur
die Technologie, derer wir uns bedienen, ist mächtiger geworden. Früher
konnte sich die Menschheit nicht durch Klimaveränderung und nuklearen
Krieg den Garaus machen, heute kann sie das. Es gibt zu viele Menschen
auf dem Erdball. Als ich aufs Gymnasium ging, gab es zwei Milliarden Menschen,
heute sind es sechs. Es ist auch typisch, dass für Katastrophen niemand
belangt wird. Wenn jemand eine Uhr klaut, kommt er in den Knast, jemand,
der drei Millionen Menschen umbringt, nicht. Je größer die Gräueltaten,
desto kleiner die Folgen.
Wie kann ein
so weiser Mann so pessimistisch urteilen?
Lem: Aber das tue doch
ich nicht immer. Wissen Sie, als die Sowjetunion kollabierte und wir die
Souveränität in Polen bekamen, waren meine Frau und ich zu Tränen
gerührt, als wir die ersten freien Sitzungen des Parlaments sehen
konnten. Jetzt haben wir auch Tränen in den Augen, aber Tränen
der Wut, weil so dermaßen dumme Leute da als gewählte Parlamentarier
sitzen. Wie Churchill sagte: Demokratie ist zwar entsetzlich, aber es gibt
kein besseres System. Man hat es noch nicht gefunden.
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