Wer als Autor digitaler Texte Effekte wie Jeffrey Shaw erzielen beabsichtigte und von seinem Publikum ein "Wow", ein "Echt super" oder gar ein âDas isses« hören wollte, der musste also nicht nur viel Geld investieren. Er musste auch die notwendige manpower zur Verfügung stellen können, was vorerst nur Künstlern mit entsprechendem institutionellem Umfeld möglich war, Leuten, die in der Lage waren, ihre Ideen mit Hilfe einer Gruppe zielsicher umzusetzen. Deshalb musste auf den ersten wie zweiten Blick enttäuschen, was mit weniger finanziellem und logistischem Aufwand zu Beginn der neunziger Jahre als digitale Literatur vorgestellt wurde. Zumeist handelte es sich um simple Hypertextprogramme, die man Ende der 80er in den USA entwickelt hatte. Etwa im Fall des berühmten Disketten-Textes Afternoon von Michael Joyce, der schon bei Erscheinen "a postmodern classic" genannt und als erstes Stück echter Netzliteratur gefeiert wurde. (6) Trotz der kaum zu unterbietenden Schlichtheit, mit der sich der Text auf dem Bildschirm präsentierte, meinten einige, lesend und klickend eine Art Kulturrevolution in Gang zu setzen. Doch sollte der geradezu unglaubliche Hype, der um Afternoon vor allem von euphorisierten Studenten der Amerikanistik veranstaltet wurde, wohl eher die Erkenntnis blockieren, dass sich mit diesem Dokument nicht einmal eine literarische Revolte inszenieren ließ. Heute steht fest, dass Afternoon zu den meist überschätzten Texten der letzten zehn Jahre gehört.


(6) Michael Joyce: Afternoon, a Story. (Elektronischer Hypertext für Macintosh) Cambridge, Mass. 1987.