Der Frankfurter Philosophieprofessor Adorno war einer der strengsten
und repressivsten Verfolger des unverschämten Sprachgebrauchs (seine
Prägung vom Verblendungszusammenhang und die, daß es kein richtiges
Leben im falschen gibt, sind ebenfalls längst im Supermarkt der philosophischen
Phrasen gelandet); ein winziger Kreis avancierter Kunst bleibt allein von
seinem Verdikt verschont. Berührungsangst? Adorno hat das Physische,
Leben im körperlichen Sinn als Fluchtpunkt des Wahren in der Kunst
gegenüber dem schlechten Allgemeinen anerkannt. Als ihm dann das Körperliche
zu nahe trat in der bekannten exhibitionistischen Attacke seiner Studentinnen,
da rief er das "schlechte Allgemeine" zur Rettung auf den Plan - traurig,
schrecklich traurig das Foto des zarten, verletzlichen kompakten Glatzkopfs
mit dem herbeigerufenen Polizisten im Seminarraum, ein Dokument der Schwäche.
Welche Geste obszöner ist, diese oder die der Studentinnen, ist nicht
auszumachen - wohl aber, welche intelligenter ist. Die Angreiferinnen haben,
wenn auch unfreiwillig, den restriktiven Verteidiger des Besonderen in
der Kunst an der "richtigen", eben der Schwachstelle getroffen. Sie haben
die Intimität des Wortes mit dem entblößten Busen, den
sprachlichen mit dem sexuellen Ausdruck konfrontiert und damit die Analogie
der Intimitäten, von Sprache und Körper vorgeführt. Beide,
Sprache und Körper, sind die Träger von Lust und Schmerz (die
alle weiteren Empfindungen unter sich fassen). Wort und Geste, Wort und
Berührung sind gleichermaßen relative und austauschbare allgemeine
Verständigungsmittel wie absolut einzigartige, besondere Indikatoren
von unteilbarem Leben. Tauschmittel und Original, Äquivalent und Unikat.
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