Das Besondere zu teilen, mitzuteilen, ist eine heikle Sache.
Wenn der Ausdruck zur Wendung, das Unwiederholbare zum Zitat wird und zur
fremden Feder, mit der sich der dummdreiste Halbgebildete und der eitle
Kulturfatzke gleichermaßen schmücken, wenn die Prägung
zur Attitüde wird: Wer nimmt da Schaden? Wenn das Einzigartige verallgemeinert
wird: Wer treibt oder erleidet Prostitution? Der Autor? Er, der das Innere
hervorgekehrt, der Exhibitionist, der die intimsten Erkenntnisse ausgestellt
hat, vielleicht mit Skrupeln, vielleicht, nachdem er die Druckfahnen mehrmals
aus der Presse gerissen und verändert hat - er sitzt wieder in seinem
sicheren Dunkel; es sei denn, er ist ein professioneller Worthöker,
der sowieso nur Münzworte prägt (dann hat er ohnehin nichts zu
verlieren, ohnehin nichts mit der Wahrheit verloren). Die Worte selbst?
Die Worte - sagt Ingeborg Bachmann - sind unschuldig. Das Material ist
immer unschuldig. Sagt man. Aber geprägtes, in Umlauf gebrachtes Wortmaterial
kann leiden. Es gibt "unschuldige" Worte, die einem im Mund zerfallen,
weil sie unaussprechbar schmecken: Das Hinterfragen und das Nachvollziehen.
Die Betroffenheit. Angst und Wut, wenn sie zusammen auftreten. Die Beziehung
ebenfalls, wenn sie eine intime ist. Und dort, sogar, die Zärtlichkeit:
Für das, was sich zwischen Vertrauen (nicht körperlich) und Liebe
(körperlich) abspielt, muß man, nur ein wenig strenggenommen,
nach anderen Worten suchen, nach Worten, die noch nicht diesen (all)gemeinen,
vernutzten Klang haben. Es gibt Ausdrücke, die uns schon lange als
Phrasen begegnen, Worthuren, die sich naturgemäß gerade im Sexuellen
erkennbar einrichten. Nicht unbedingt der Satz "Ich liebe dich", der durch
seine universelle Konvertibilität ironischerweise fast schon wieder
den Charme des "Haste mal ne Maak" erlangt hat. Eher Wendungen wie das
unsägliche "Das war schön", die "das" und den Angeredeten zum
Exemplar einer Serie stempelt. Schmerzlicher ist es zu beobachten, wie
ein ungewöhnlicher Ausdruck zum Designeraccessoire verkommt.
Die blaue Blume und die schwarze Milch der Frühe. Was zur Phrase wird,
ist kontingent; im Alphabet der Worte entstehen mit den Phrasen hornige
Stellen, die nicht mehr angerührt werden können, weil sie sich
peinlich trivial, verkitscht oder abgedroschen anfühlen und in jedem
Fall etwas abgegriffen Obszönes an sich haben. Denn das Unwiederholbare
in ausgetauschten Kontexten zu wiederholen, als Teil des Jargons oder ornamentalen
Zugewinn für die Wertsteigerung der verwandten Phraseologie, ist Zuhälterei,
ist schamlos, ist unverschämt - sofern denn der Intimität Scham
korrespondiert. |
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