Ingeborg Bachmann gehörte zu denen, die immer noch, und darin rein, naiv und absolut, vielleicht anachronistisch, Schreiben als Wahrheitssuche oder gar Wahrheitsfindung begriffen haben. "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar", "Wir müssen wahre Sätze finden" - solche Aussagen sind (zu) oft zitiert, als Titel benutzt worden, um noch befragbar zu sein; sie sind jedoch Indikatoren für die Haltung, sich mit dem Schreiben der Wahrheit zu verschreiben. (Dabei steht der scheinbar puristische, jedenfalls pathetische Ernst einer solchen Haltung nicht für das Geschriebene, nicht einmal das Leben der Ingeborg Bachmann, so suggestiv ihr auch die Düsternis zugeschrieben wird, die "mit der verbrannten Hand über die Natur des Feuers" schrieb und am eigenen Feuer, im Wortsinn, starb; denn die Schreibhand, die sie auf die Wunden, Krusten und Narben legte, kitzelt oft und reizt zum Lachen.) Diese Haltung entspricht der idealistischen Ästhetiktradition von Kant, Schelling und Hegel bis zu Adorno, in dessen Theorie sie fortwirkt und einen streng extensiven Begriff des Falschen begründet. Innerhalb der noch jungen Disziplin der Ästhetik gaben sie der alten Wahrheit ihren neuen Träger: das Ich. Keiner von ihnen hat aber die Scheidung zwischen der tagabgewandten Tätigkeit des Schreibens und dem wimmelnden, lärmenden öffentlichen Tag berücksichtigt, die für die Wahrheit der (Sprach-)Kunst - die ja wiederum nur als veröffentlichte existiert - heikel und paradox ist.