Der Verführung zu sprechen bzw. der Aufforderung zur Korruption (ein Sterbenswort auszuplaudern), auf die Bachmanns Verdikt antwortet, hat sie selbst sich immer wieder entzogen. So im März 1971 im Gespräch mit Ekkehart Rudolph. Der Schluß des Interviews ist ein einziger Rattenschwanz aus wiederholten Versuchen des damaligen "Vorsitzenden des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Würtemberg", der Interviewten Worte zu entwinden. "Können Sie mit wenigen Worten Ihre Haltung zu der Gesellschaft ... kennzeichnen? - Aber wie würden Sie mit Ihren Mitteln auf die Frage antworten? - Sie würden also jetzt gar keine Antwort geben ...? - (Ihre Antwort) umreißt nicht die Haltung, die Sie gegenüber der Gesellschaft einnehmen... - Aber irgendwie muß (!) man sich ja verständlich machen. - Was würden Sie ... in dieser Gesellschaft ändern?" und schließlich, entnervtes Entgegenkommen, der letzte Joker: "Was ist Ihr Wunschdenken?", der dann endlich Antwort erhält - indem Ingeborg Bachmann die Passage "Ein Tag wird kommen ..." aus Malina vorliest. Die Antwortpassagen dokumentieren ihre Weigerung, Worte an einen öffentlichen Anspruch zu verraten, der sie unbrauchbar machen würde. "Ansichten sind überhaupt unwichtig, sie sind nur brauchbar als Stützen im Gespräch" - und Bachmann sperrt sich dagegen, eine "Gesprächspartnerin" zu sein. Sie verhält sich wie jemand, der die Lippen zusammenpreßt, um sich den Mund nicht vollstopfen zu lassen. Kein Sterbenswort - kein kulturkritisches Vokabular: "Ich habe keines dafür. Ich habe keine Ansichten. ... Ein Schriftsteller hat keine 'Worte zu machen'; das heißt, er hat keine Phrasen zu verwenden. ... für mich verbietet sich das: Es wäre das Leichteste, und das Leichte muß man sich verbieten. Die Schriftststeller werden erst wirklich abdanken müssen, wenn sie nur noch Phrasen im Mund haben, die die anderen auch haben." Die "Aktualität korrumpieren", "darstellen", "ausdrücken" nennt sie dagegen das Wortemachen, ohne Worte zu machen.