Kein Sterbenswort, ihr Worte. Man sieht den senkrechten Zeigefinger vor den geschlossenen Lippen: Psst! Nichts verraten. Keine gemeinsame S(pr)ache machen. Nichts verlauten lassen. Die dringende Bitte an die noch nicht gesagten Worte, nicht abzukippen ins schaumige Meer der Phrasen. Das "Sterbenswort" könnte diesen Fall - extrem betrachtet - den "Sündenfall" der Literatur meinen, der darin besteht, die erahnte Sprache öffentlich, sozial und kommunizierbar zu machen, das Geheinmnis zu enthüllen (und deshalb ist es auch kein Zufall, daß der Entwurf mit diesem Satz endet - wie das Gedicht, dem er entstammt - denn mit einem Schlußsatz beginnt man endlich wieder zu schweigen). Literatur muß mitreden und sich einmischen - so lauten zumindest die Sozialformeln der "Engagierten", an denen immerhin das "muß" zwingend ist, denn Literatur ohne Öffentlichkeit, d.h. ohne Leser (den sich Ingeborg Bachmann immer als ein "Du" vorgestellt hat) ist keine Literatur; dieser Imperativ ist die unvermeidliche Erbsünde, mit der sie leben muß. Die Worte müssen den Übergang ins öffentliche Element, an Licht und Luft und den Sauerstoff riskieren, unter dem ihre Farben wie die Wandmalereien in dem römischen Keller in Fellinis Roma im Moment des Öffnens zergehen können und an dem ihr Geschmack durch Schimmel und Faulstoffe angegriffen wird.