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Der verzweifelte (verzweifelte, weil vergebliche und trotzdem
unumgängliche) Kampf gegen die schlechte Sprache durchzieht Bachmanns
Schreiben - als Thema. In "Alles" wendet sich ein Vater von seinem Sohn
ab, sobald dieser in die Welt eintritt als einer wie alle, in alle Fußtapfen
tritt; er kann ihn nicht die "Schattensprache" lehren, keinen "anderen
Versuch" mit ihm machen. Er will nicht wahrhaben, daß mit einem neuen
Menschen die alte Welt weitergeht: "Er sollte doch nur von vorn beginnen,
mir zeigen mit einer einzigen Geste, daß er nicht unsere Gesten nachvollziehen
mußte." Aber das ist zu viel, ist "alles" verlangt. Fanny Goldmann
verschlägt es die Sprache: "In diesen Tagen legte Fanny Goldmann das
Wort 'grauenvoll' ab, da sie jetzt erst wußte, daß der Name
Heimo oder Karin oder schlechte Manieren oder Dummheit überlastet
waren unter diesem Wort - sie hatte etwas Neues kennengelernt, und da hörten
die Worte zu passen auf." Fassungslosigkeit - gerade angesichts des Gewöhnlichen
- läßt sich nicht in Worte fassen. In Malina und Der Fall
Franza sind es Vaterfiguren, die die Protagonistin zum Verstummen
bringen. Franza wird zum "Fall" ihres Ehemannes, des Psychoanalytikers
Jordan: seinem "Bedeutungswahn" unterworfen. Ihr werden die Worte aus dem
Mund genommen und als "Fehlleistungen" zerlegt; so spricht sie nicht mehr
im eigenen Namen; sie verstummt. In Malina erscheinen innerhalb des
Konflikts zwischen Ego-Ich und Alter Ego-Malina (der mit dem Verschwinden
des Ich in der Wand endet) die nichtsprachlichen Hintertreibungen der vorgegebenen
kommunikativen Sprache in eben solchen Fehlleistungen - so, wenn Ich (als
Platzhalter der Schriftstellerin) auf einem Blatt "Todesraten" statt "Todesarten"
notiert: "Ich könnte mich verschrieben haben", denkt es. In solchen
Verfehlungen, Verschreibungen äußert sich das Verschwiegene
- nicht in einem "schönen Buch", wie es Ivan von Ich, der Erzählerin,
einklagt. Deren Liebe zu Ivan, gehetzt zwischen Selbstaufgabe (an Ivan)
und Selbstverlust (ohne Ivan, den Garanten von Wirklichkeit), wird mit
heftiger subjektiver Ironie dargestellt. "'Es sollte sichtbar werden, mit
welcher Vehemenz dieses Ich ...'" erläutert Bachmann in einem Interview
- "'... sich verschreibt ... kann man so sagen?'" wirft die Interviewerin
ein. "'Sich verschreiben - das ist ein schönes Wort'", bestätigt
Bachmann. Ihre philosophische "Wurzel" Wittgenstein repräsentiert
die strenge Unterscheidung von Sagbarem und Unsagbarem im Zeichen der Klarheit
einerseits (Sprache als "Bild der Tatsachen"), des Schweigegebots andererseits:
"Wovon man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen". Das Paradox
des darüber schweigen ist ein Hinweis darauf, daß die
Grenze zwischen dem Klaren, Wirklichen und dem unaussprechlichen Anderen
(das sich nach Wittgenstein nur "zeigt") nicht unüberschreitbar ist
. Man sollte sich, sagt Bachmann in einem Radioessay über Wittgenstein,
"nicht irre machen lassen an den 'Grenzen', die nicht nur Grenzen sind,
sondern Einbruchstellen des sich Zeigenden". Auf diesem Grat bewegt sich
die poetische Sprache: zwischen der vorhandenen schlechten Sprache des
Lebens, die zu allem etwas zu sagen weiß, und dem Schweigen; zwischen
dem geschwätzigen Lärm und dem Schreien. |
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