Die Sprache ist die Strafe, sagt Ingeborg Bachmann. Man
mag das religiös oder protoreligiös verstehen - als desolaten
Zustand, der jenseits der Grenzen des vorsprachlichen Paradieses herrscht
und sowohl von ihm fort- als auch vergeblich zu ihm zurückstrebt;
als babylonische Verwirrung oder über die Vertriebenen verhängte
Tantalus- oder aber Sisyphusqual (wobei die Verkörperung von Tantalus
und seiner hängenden Zunge in dem regressiven Gelalle und Gehechel
der herrschenden Fun-Fangemeinde, diejenige von Sisyphos mit seinem schweißtreibenden
Steinewälzen im mit der Sprache ringenden Dichter zu finden wäre...).
Tatsächlich verwendet Ingeborg Bachmann in ihrem Redeentwurf das Wort
"Verdammnis". Aber ihre Feststellung hat eine konkretere Bedeutung; sie
bezieht sich auf die Existenzweise des Schreibens und auf die Arbeit der
Dichtung. Schreiben ist einsam, es ist asozial, eine Abgeschlossenheit
ohne Ausweg. Oder, genauer, eine Isolation, die in Kauf genommen wird als
einziger Weg, die "Wirklichkeit" - das ist ihr Wort - zu suchen, weil der
einzige Ausweg in die Außenwelt führt, die die gesuchte Wirklichkeit
versperrt. Natürlich geht es hier um freiwillig-unfreiwillige Askese
und den Rückzug in eine Zelle - an den Schreibtisch: "Ich kenne nur
meinen Schreibtisch, der mir verhaßt ist". Der Überredung zu
folgen, ihn zu verlassen, ist "eine Flucht, eine Verführung" - das
erinnert an "Versuchung", eine weitere religiöse Konnotation, die
doch wieder nur besagt, daß die einzig mögliche Existenzweise
(das Schreiben) schwer zu tragen, die Alternative (die Sprache des Lebens
zu sprechen) jedoch unerträglich ist. Tatsächlich geraten zumindest
Bachmanns Figuren innerhalb der Außenwelt und der dort herrschenden
Sprache in heillose Verwirrung - heillos, weil unheilbar; ihre Lebensweisen
sind Todesarten. Das Ich in Malina verkriecht sich immer wieder in
das einzig bewohnbare "Ungargassenland"; seine Erfinderin "wünscht
sich zurück auf die Galeere. Wer einen dazu zwingt? Niemand natürlich.
Es ist ein Zwang, eine Obsession, eine Verdammnis, eine Strafe." Zwang
und Obsession - etwas Triebhaftes, weil "Besetztes" - kann nur aus der
Anziehung entstehen, die die gesuchte Wirklichkeit auf die Schreibende
ausübt. Und diese "verzweifelt gesuchte und manchmal gewonnene Wirklichkeit"
ist natürlich nichts anderes als die "erahnte Sprache", der die Sklavenarbeit
auf der Galeere dient.
"Die Literatur aber, die selber nicht zu sagen weiß, was
sie ist, die sich nur zu erkennen gibt als ein tausendfacher und mehrtausendjähriger
Verstoß gegen die schlechte Sprache - denn das Leben hat nur eine
schlechte Sprache - und die ihm darum ein Utopia der Sprache gegenübersetzt,
diese Literatur also ... ist zu rühmen wegen ihres verzweiflungsvollen
Unterwegsseins zu dieser Sprache... Ihre vulgärsten und preziosesten
Sprachen haben noch teil an einem Sprachtraum; jede Vokabel, jede Syntax,
jede Periode, Interpunktion und jedes Symbol erfüllt etwas von unserem
nie ganz zu verwirklichenden Ausdruckstraum." |
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