Ähnlich verhält es sich beim Schmerz, dem Verhältnis
zwischen der Sprache der Gewalt und der körperlichen Zufügung.
Jede Schilderung einer Gewalthandlung ist - wie die Bezeichnungen von Gewaltinstrumenten,
Folterpraktiken etc. - ein Euphemismus, der den Körper Lügen
straft und die Tat wiederholend verschärft. Das Opfer wird zur Verharmlosung
seines Schmerzes gezwungen, gleich, ob es selber die Verletzung versprachlichen
oder der Versprachlichung folgen soll. Da geschieht mehr als Betrügen
und Betrogenwerden um das Gefühl, d.h. das Erlebnis des Schmerzes,
der Demütigung: Ein nachträglicher Verrat wird verübt. Wenn
das Trauma kommuniziert, verallgemeinert, verständlich, mit dem Erleben
und Empfinden anderer kompatibel gemacht wird, wohnt der Betreffende seiner
eigenen Verhöhnung bei. Das Allgemeine verdünnt und entstellt
auch hier das Besondere.
Die starke Behauptung, die Sprache sei wahrheitsfähiger,
daher empfindlicher, antastbarer als der Körper, enthält die
mildere Gleichung von Körper und Sprache. Ihr tertium ist der
vorsprachliche Ausdruck. Schweigen und Schrei, Kern des körperlichen
Ausdrucks, kann man als Ausgangs- und Endpunkt des dichterischen Ausdrucks
verstehen; er ist dann der kulturelle Umweg zum Naturhaften. Die künstlerische
Sprachfindung wäre die Erkenntnis, die durchs Unendliche verläuft
und im Artefakt den Anschluß an jene "organische Welt" ohne Reflexion
findet, wo allein die "eigentliche" Sprache gesprochen wurde - die Natursprache,
der Schrei, das Schweigen. "Das Paradies ist verriegelt und der Cherub
hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob
es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist", sagt Kleist im Marionettentheater.
Was bei Kleist die durch Reflexion verlorengegangene und durch Reflexion
wiederzufindende Grazie der Bewegungen ist, hat bei Ingeborg Bachmann den
Status der erahnten Sprache - "diese eine Sprache, die noch nie regiert
hat, die aber unsere Ahnung regiert ... die wir nicht ganz in unseren Besitz
nehmen können. Wir besitzen sie als Fragment ... konkretisiert in
einer Zeile oder einer Szene, und begreifen uns aufatmend darin als zur
Sprache gekommen." |
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