7
Man hat den Verdacht geäußert, daß das Internet letzten Endes eine Veranstaltung von Voyeuren für Voyeure ist. Die wollen es nun wissen. Nicht nur sehen. Wie die vollkommene Sichtbarkeit des Geheimen beschaffen ist, das zu Ende ausgeleuchtete Geschlecht des Lebens. Im Schatten junger Mädchenblüte. Um es auszulöschen im tödlichen Blick, ein und für allemal. Das obszöne Bild im Zentrum ist bereits die Leere. Keine Chance für den Staatsanwalt. Das Verbrechen ist perfekt. Statt die Menschen und die Dinge zu schonen, fordert man Bildschirmschoner. Und wir, die wir starren, sitzen dabei. Im doppelten rechten Winkel, der uns die Beweglichkeit raubt und das Begehren einklemmt. Auf daß wir nie mehr berühren können, was wir lieben. Und es genießen, ausgeschlossen zu sein. Für immer und ewig. Aus lauter Impotenz lauernd auf die unendliche Zunahme der Frigidität in der Welt. Die Tastatur mit den Buchstaben ist kein Ersatz. Fingerspitzengefühl gerät darüber zur Taubheit. Außerdem sind Schrift und Bild nur Zugeständnisse an die Körper, solange sie noch nötig sind. Es geht ums Rechnen, um den Leerlauf der "mathesis universalis" am Nullpunkt der Geschichte, vor dem Nichts der Welt, vor dem Nichts der Natur, vor dem Nichts der Materie. So man dieses Desaster weiß, wäre es das beste, sich aus dem Staub zu machen und die Asche Asche sein zu lassen. Aber die Entdeckung des Monströsen im Herzen der Menschheit erzwingt eine Zeugenschaft, sei es beim Schreiben mit dem Computer. Das steigert die Wut. Obwohl der Umstand, sich ohne Illusion an Illusionen beteiligen zu müssen, längst ein Handlungsmuster der neuesten Zeit ist. Die von Jonathan Swift selbst verfaßte Grabinschrift beginnt mit den Worten: "Er ging seinen letzten Weg dorthin, wo die wütende Entrüstung sein Herz nicht mehr zerreißen konnte."

Berlin, Kreuzberg, den 19. November 1999