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Wir haben keine Möglichkeit, das
Reale und das Symbolische gegen das Imaginäre auszuspielen. Wir müssen
uns in derselben Dimension bewegen. Ob wir träumen, wachträumen
oder gar Visionen haben, wir bleiben in der Immanenz, das heißt:
im selben Medium, das auch die Medien der vor- und nachgefertigten Bilder
bedienen. Die seltenen Lebensträume sind vom selben Stoff wie die
kursierenden Todesmetaphern. Obszönität und Keuschheit finden
auf der gleichen Bühne statt, die tiefste Verzweiflung und die flachste
Langeweile. Kein Dichter ist ausgezeichnet vor einem Schulmädchen.
Wir müssen also mitmischen, Marginales und Zentriertes, Dezentrales
und ehemals Randständiges. Am schwierigsten ist die Bewegung des Imaginären
selbst zu nehmen. Es hat zunächst den Charakter eines Raumes in Ewigkeit,
eines Behälters seit jeher und für immer hin. Dann lernen die
Bilder das Laufen und es entsteht der Eindruck der Bewegtheit von Anfang
an. Aber es handelt sich um eine Pseudobewegung, wie Marx sie am Kapital
erkannte. Die fällige Kritik des Imaginären kann durchaus in
der Weise der Kapitalismus-Kritik verfahren. Sie hat mit denselben theologischen
und anthropologischen Mucken zu tun: wie das menschliche Begehren unter
die Fuchtel des toten Gottes geriet und damit in den Strudel eines vernetzten
Wiederholungszwanges, der endlos ist und Opfer fordert. |