Die
Liebe
Ein Ausnahmezustand. Durchlässiger ist
man darin, aber auch trüber,i
unempfänglicher. Man hegt seine Wunde
und wird gleichgültig gegeni
die Überraschungen der Welt. Vielleicht
rührt daher die Verführung,i
aus der eigenen Liebe eine exotische Sonderwelt
zu basteln, Wort um Wort,i
Stein um Stein ein Gebäude, in dem kein
Stein mehr auf dem andern ist.i
Das kann fast nur schiefgehen. Aber wie kann
man verletzt und aufmerksam,i
verliebt und offen, innen und außen
zugleich sein? Hegel, dem man die Liebei
am liebsten absprechen möchte, weil
er ja überall Bescheid wußte, hat voni
"Beisichsein im Anderssein" gesprochen und
damit die Freiheit gemeint.i
Wieso könnte nicht auch die Liebe gemeint
sein? Bloß deshalb nicht,i
weil sie das Gegenteil von Freiheit ist?
Immerhin ist es eine gute Formeli
für die Kunst, in diesem Ungleichgewicht
das Gleichgewicht zu halten.i
Auf sich selbst konzentriert und dennoch
in der freien Luft, auf dem Seil,i
jede Spannung und Schwankung registrieren
und kompensieren,i
die Statik errechnen bei jedem Schritt, die
Fallhöhe vor Augen:i
das wäre Liebeskunst: eine schöne,
souveränei
und masochistische Choreographie.i
vor / zurück
/ ende