Auf
der Suche nach der verlorenen Sprache
Botho
Strauß sah die Merkmale der "Totalherrschaft der Gegenwart"
darin, daß sie "jede Anwesenheit von unaufgeklärter Vergangenheit"
als Synonym des Nichtmodernen negiere (Anschwellender Bocksgesang).
Er irrt.
Tatsächlich
besteht die Anmaßung nicht in der selektiven Negation. Das
Übermütige der All-GEGENWART besteht im Gegenteil in ihrer
Forderung, wirklich alles auf dieser Welt als gleichberechtigt anzuschauen,
weil alles GEGENWART ist. Dieser Übermut grenzt an Überforderung,
bedenkt man die innere Ungleichheit der GEGENWART, d. h. der Welt.
Denn die Einzige GEGENWART ist kein überschaubares globales
Dorf, in dem sich nun, da alle zusammengehören, Frieden finden
läßt. Das Gegenteil ist der Fall. Heterogenität
und Chaos, Differenz und Komplexität sind die Merkmale der
schönen neuen GEGENWART.
Botho
Strauß fordert die "Auflehnung" gegen die totale GEGENWART
durch den Rückzug des Künstlers aus der Welt. Mag er es
tun.
Auf
der Suche nach einer Möglichkeit, in der EINZIGEN GEGENWART
zu leben, spielt Rückzug keine Rolle.
Dennoch
liegt die Hoffnung auf neuen Weitblick in der Sphäre der Kunst.
Wenn es wahr ist, daß Kommunikation die Waffe der GEGENWART
ist; wenn es wahr ist, daß Kunst die Kommunikation thematisiert
(Luhmann) - dann mag die Kunst ein möglicher Weg sein, die
Überforderungen der GEGENWART in eine Chance umzumünzen.
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