Vor den Worten zu bleiben, nicht in Angst, nicht in Dummheit - das zu
versuchen ist mehr, als zu erwarten ist. Daß Menschen wie Dietmar
Kamper an einer Institution wie der Universität anzutreffen sind,
ist nicht der Universität geschuldet, sondern einem Beharrungsvermögen
Kampers, einem Beharrungsvermögen, das niemals hartnäckig wurde.
Es sind viele Studierende und Zeitgenossen, für die er einer der wenigen
war, zu denen man überhaupt noch gehen konnte, so man sich dem Abenteuer
der Verzweiflung und dem Abgrund des Denkens aussetzen wollte.
Sätze wie "Denken mit zerbrochenem Kopf." - "Die Welt ist nicht
mehr in einen Kopf allein hineingehend." - "Gegen die Imagination hilft
nur die Einbildungskraft." - "Man muß gegen sein eigenes Denken denken."
... markieren sein Denken auf eine Weise, die ein anderes Verstehen erfordert
- ein anderes Verstehen denn das des eigenen. Wenn Rilke in den "Aufzeichnungen
des Malte Laurids Brigge" seinen Protagonisten schreiben läßt
...
Ich würde gerne unter den Bedeutungen bleiben, die mir lieb geworden
sind, und wenn schon etwas sich verändern muß, so möchte
ich doch wenigstens unter den Hunden leben dürfen, die eine verwandte
Welt haben und dieselben Dinge.
... so gilt das für den internen Kamper; für den externen
gilt "das Gegenteil". Aber auch das ist wohl etwas zu unchiasmatisch gesehen.
Die ganz weit hinten herrschende Kälte in Kampers Kopf ist zugleich
die Hitze seines leidenschaftlichen Denkens - und vice versa. Und das hat
noch lange nicht aufgehört.
Die Relevanz von Kampers Denken zeigt sich an dem Spektrum der hier
zu seinem 65. Geburtstag versammelten Essays. Angesichts der Fülle
von potentiellen Beiträgen muß dieser Band als schmal betrachtet
werden. Das Vorliegende versteht sich nicht als eine Leistungsschau in
Sachen Historische Anthropologie oder Soziologie der Imagination, sondern
als hats [bzw. heads] off - azephal sind die Beiträge gleichsam nicht.
Berlin 2001
Herbert Neidhöfer & Bernd Ternes
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