Vorwort

- Was hast Du, Calisto?
- Nichts, soviel ich weiß, aber auch viele Dinge, von denen ich nichts weiß.

Alfonso Sastre, Fantastische Tragödie von der Zigeunerin Celestina
nach Motiven des Romans
"La Celestina o tragicomedia de Calisto y Melibea"
von Fernando de Rojas aus dem Jahre 1499
Hörspielfassung

Vor den Worten zu bleiben, nicht in Angst, nicht in Dummheit - das zu versuchen ist mehr, als zu erwarten ist. Daß Menschen wie Dietmar Kamper an einer Institution wie der Universität anzutreffen sind, ist nicht der Universität geschuldet, sondern einem Beharrungsvermögen Kampers, einem Beharrungsvermögen, das niemals hartnäckig wurde. Es sind viele Studierende und Zeitgenossen, für die er einer der wenigen war, zu denen man überhaupt noch gehen konnte, so man sich dem Abenteuer der Verzweiflung und dem Abgrund des Denkens aussetzen wollte.

Sätze wie "Denken mit zerbrochenem Kopf." - "Die Welt ist nicht mehr in einen Kopf allein hineingehend." - "Gegen die Imagination hilft nur die Einbildungskraft." - "Man muß gegen sein eigenes Denken denken." ... markieren sein Denken auf eine Weise, die ein anderes Verstehen erfordert - ein anderes Verstehen denn das des eigenen. Wenn Rilke in den "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" seinen Protagonisten schreiben läßt ...

Ich würde gerne unter den Bedeutungen bleiben, die mir lieb geworden sind, und wenn schon etwas sich verändern muß, so möchte ich doch wenigstens unter den Hunden leben dürfen, die eine verwandte Welt haben und dieselben Dinge.

... so gilt das für den internen Kamper; für den externen gilt "das Gegenteil". Aber auch das ist wohl etwas zu unchiasmatisch gesehen. Die ganz weit hinten herrschende Kälte in Kampers Kopf ist zugleich die Hitze seines leidenschaftlichen Denkens - und vice versa. Und das hat noch lange nicht aufgehört.

Die Relevanz von Kampers Denken zeigt sich an dem Spektrum der hier zu seinem 65. Geburtstag versammelten Essays. Angesichts der Fülle von potentiellen Beiträgen muß dieser Band als schmal betrachtet werden. Das Vorliegende versteht sich nicht als eine Leistungsschau in Sachen Historische Anthropologie oder Soziologie der Imagination, sondern als hats [bzw. heads] off - azephal sind die Beiträge gleichsam nicht.

Berlin 2001
Herbert Neidhöfer & Bernd Ternes