Antwort
Die
herrschende Spass- und Eventkultur moechte die Literatur logo gern schlucken
und so unschaedlich machen. Nur wird ihr das nicht gelingen, indem sie
solche Autoren hyped, die da reinpassen, da mitschwimmen moechten. Trivialen,
affirmativen, konventionellen kommerziellen Schund hat es schon immer
gegeben, und er hat sich (durchaus zu Recht!) zu allen Zeiten auf der
Hoehe des Zeitgeists gewaehnt. Jedes Wort ueber diese albernen Strategien
der Ueberbietung und Unterbietung mit dem Ziel: Wie mache ich moeglichst
viel Laerm um mich, also nichts - waere verschwendet. Aber diese Bubis
von KIWI und diese krachledernen jungen Berlinerinnen sind ja nicht
DIE Junge Deutsche Literatur. Da gibt es doch lesbare (!) Buecher, die
man nicht leichtfertig abtun sollte. Ein Ingo Schulze oder eine Judith
Hermann sind erfolgreich UND gut. Und natuerlich hat ihr Erfolg mit
der Zugaenglichkeit ihres Schreibens zu tun. Hier vollzieht sich im
Wechsel der Generationen m.E. auch eine echte Erneuerung der Literatur:
weg vom nur noch universitaer zerquaelten, von den frischen Lebensquellen
der historischen Avandgarde laengst voellig abgeschnittenem, nur noch
welt- und erfahrungslosem Gestammel der 80er zum Erzaehlen - wobei die
Geschichte lehrt, dass solche Erneuerungen nach Sackgassensituationen
noch immer ueberden Rueckgriff auf Tradition und, ja, Konvention, funktioniert
haben. Ich jedenfalls begruesse diesen Wechsel hin zum Erzaehlen: nicht
in naiver Verkennung, sondern in trotziger Verneinung der Unmoeglichkeit,
zu erzaehlen. Daneben gibt es natuerlich juengere Autoren, die einfach
IHR Ding machen, und auf hoechstem Niveau viel zu eigen sind, um in
solchen Diskursen eingeordnet zu werden: Marcel Beyer, Norbert Gstrein,
Perikles Monioudis, Peter Weber, Norbert Niemann um nur einige zu nennen.
Wieder etwas anderes ist es mit der PoP-Literatur: Da gibt es eine Fraktion
um Rainald Goetz und Andreas Neumeister, die nun gerade sehr artifizielle,
hochreflektierte Schreibansaetze, in lebendiger (anders als die zombiehaften
Epigonen der Wiener Schule ...) Nachfoge und Weiterentwicklung der klassischen
Avandgarde verfolgt. Da wird, ganz gegen den spassgeilen Zeitgeist,
tatsaechlich versucht, die Bedingungen dieser Spassgeilheit zu sondieren.
Alles in allem gibt es eine in der Spitze gute, junge deutsche Literatur.
Das Geroell an der Pyramidenbasis tangiert sie nicht. Wenn aber der
zeitgenoessische Schund Erfolg hat, so ist dieser Erfolg, jeder Erfolg
fuer deutsche, nichtuebersetzte Literatur, auch wichtig und hilfreich
fuer diese Spitze. Es geht doch im realen Buchmarkt nicht um die Frage
Sekt oder Selters, sondern laengst um die Wurscht: Wird es zukuenftig
noch eine deutsche Literatur geben - markttechnisch?
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