Inhalt Kumulation Betrieb # 1 Borges & Co. Betrieb # 2 Literatur etc.

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Um 1900 herum machte der Science-fiction-Autor Kurd Laßwitz das Gedankenexperiment einer "Universalbibliothek" (das Borges dann später in seiner Erzählung "Die Bibliothek von Babel" aufgriff): Laßwitz geht von einer Zahl von 100 Zeichen aus, die er in allen möglichen Kombinationen in Bücher à 500 Seiten, die Seite mit 40 Zeilen à 50 Zeichen anordnet. Die Zahl der Bände, die diese Bibliothek anfüllen würden und die alle nur möglichen Texte enthielten, wäre 102 000 000. - Mittlerweile enthält vermutlich fast jeder Computer potentiell diese Universalbibliothek, da er die Kapazität hat, alle nur denkbaren Zeichen - binär codiert - in allen nur denkbaren Konstellationen zu kombinieren.

1975 erschien Borges´ Erzählung "Das Sandbuch" (Werke, Bd. 13, S. 182ff.). Darin beschreibt er ein unendliches Buch, bei dem man niemals auf die gleiche Seite trifft und bei dem man nie zu dem ersten oder letzten Blatt gelangt: "Ich drückte die linke Hand auf das Titelblatt und schlug das Buch auf, den Daumen fest an den Zeigefinger gepreßt. Alles war zwecklos: Immer schoben sich einige Blätter zwischen Titelblatt und Hand. Es war, als brächte das Buch sie hervor."

Unter diesen Aspekten - unermeßliche Möglichkeit der Kombination von Zeichen und unermeßliche Möglichkeit der Variation von Zeichenketten - bedeutet das digitale Medium - was die Verfügbarkeit von Literatur betrifft - nicht die Überwindung, sondern eher die Vollendung der sogenannten Gutenberg-Galaxie. Im folgenden stelle ich mir einen Leser vor, für den - wie für Gérard Genette (vgl.: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe) - ein Text immer schon ein Hypertext war.