Allerdings hat das Heraufkommen eines neuen
Mediums stets Gebrauch und Form der etablierten Medien modifiziert. Für
die Literatur bringt diesen Prozeß - der dort bereits vor dem Internet
eingesetzt hat - Friedrich Balke auf den Punkt: "Nachdem ihre vormaligen
Funktionen zusehends von dem neuen audiovisuellen Medienverbund betreut
werden, sieht sich die Literatur genötigt, ihre Identität radikal
selbstreferenziell zu konzipieren. Literatur wird tendentiell zu Literatur
über Literatur" (Merkur, Mai 2000, S. 450f.). Das heißt: avancierte
Kunst muß sich an den spezifischen Möglichkeiten von Medium
und Genre ausrichten (muß - das meint McLuhan, wenn er das neue Medium
zum handelnden Subjekt, zum Tyrannen macht), sie muß, auch wenn sie
explizit auf überkommene Möglichkeiten zurückgreift bzw.
sich den neuen verweigert. Die Ausrichtung am Stand der Dinge oder aber an einer
archaischen Form (einer altertümlichen, nostalgischen etc.) ist eine prinzipielle
Stilentscheidung, die das Werk legitimieren muß.
Das Internet nun erscheint als das Medium,
in dem alle bekannten Kommunikations- und Tradierungstechniken zur Anwendung
kommen können. Dabei treten Formen auf, die hinlänglich bekannt
sind: Chatrooms oder Mitschreibprojekte ähneln den Formen oraler Tradierung
der antiken Rhapsoden und die typographische Ästhetik einer Internetseite
kann das Können der mittelalterlichen Klosterschreiber erfordern (vgl.
Luhmann, S. 32: "Textherstellung und Bildherstellung waren [im Mittelalter]
weniger stark unterschieden als heute [= bezogen auf die Printmedien].
Beide hatten ornamentale und taktile Komponenten - zu zeigen. Die Schreibschrift
war wie die Malerei Mühe, Können und Form in einem.").
Was für Wetter bringt nun dieser Kumulus der Literatur und ihrem Betrieb? |