Schon I996, war man von den eingereichten Ergebnissen enttäuscht, allerdings ohne die Enttäuschung offen zu zeigen. Beteiligt hatten sich weder namhafte Autoren noch professionelle Programmierer. Stattdessen gab es Kleinkunst im digitalen Format. Peter Glaser, der sich mit seiner Literatur bereits in den achtziger Jahren an den Medientechnologien Video und Computer orientiert hatte, würdigte die Gewinner-Beiträge im ZEIT-Magazin mit einiger Zurückhaltung: "Weil die Entwicklung des Hypertextes noch so jung ist, konzentrieren sich die Autoren vorerst oft auf kleine Moleküle aus luftig miteinander verbundenen Textchen." (11) Ein Jahr später, beim zweiten Internet-Literaturwettbewerb, machten sich deutlichere Töne vernehmbar. "Und wie das so ist, wenn man in das Internet hineinruft nach neuer Literatur: Was zurückschallt ist das Leben selber, so aufregend und so banal, wie man es kennt." So zog man auf der Computerseite der ZEIT bitter Bilanz: âAllen voran kamen die Eiferer mit langen Manifesten für humanes Sterben, nachhaltiges Wachstum und andere untadelige Zwecke. Gleich dahinter die Vielschreiber, die mal eben hundert beliebige Kilobyte digitalisiert haben aus Werken, die zwar literarischer anmuten, aber doch mit den Möglichkeiten des Internet nicht viel zu tun haben [...]. Auf der anderen Seite die Technikerfraktion mit dreidimensionalen Buchstabenwelten, frei flottierenden Worten, die man mit der Maus anstupsen darf, und wellenschlagenden überschriften. Vieles davon ist offenkundig aus den Weiten des World Wide Web zusammenkopiert und nur neu verbunden worden, vieles aber auch von Grund auf selbst entworfen." (12) Einen ersten Preis wollte man angesichts der Qualität der eingesandten Beiträge gar nicht erst vergeben. Teile der Jury traten zur Begründung ihrer Entscheidung vor lauter Frustration nicht an. Ein Juror machte seinem ärger in einem zynischen Artikel Luft. (13) Worauf sich schließlich einige Autoren, die am Wettbewerb mit eigenen Beiträgen teilgenommen hatten, zur Wehr setzten und der Jury kurzerhand die Kompetenz absprachen.


(11) Peter Glaser: Die große Odyssee.
In: Zeitmagazin Nr. 39, 20.9.1996.

(12) Ungebundenes. Der 2. Internet-Literaturwettbewerb von Zeit und IBM ist zu Ende gegangen - mit zwei Preisträgern.
In: Zeit, 22. 8. 1997.

(13) Erhard Schütz: Gebetsmüller und Witzewagner. Ein Wettbewerb für lnternetliteratur ist nicht das reine Vergnügen.
In: die tageszeitung, 6. 7. 1997.