Was heute nach hohlem Techno-Kitsch klingt, galt 1989 als unverfremdete
Sprache des Aufbruchs. Als oberste Sprachpfleger gaben sich
dabei die beiden Organisatoren der Ars Electronica, Gerhard
Johann Lischka und Peter Weibel. In einem Manifest "für
eine interaktive Kunst", das so strukturiert war, wie man
sich den vernetzten PooL-Text aus der Datenbank von Idensen
und Krohn vorstellen muss, gaben beide die Parolen für ihre
eigene Veranstaltung aus. Ganz assoziativ, ganz hypertextuell
mischten sie Zitate von Chaosforschern, Biologen, Systemtheoretikern,
Physikern, Kybernetikern, ökonomen und Kunsthistorikern mit
eigenen Stellungnahmen, um den Epochenbruch zu markieren, den
sie mit Kunstwerken wie der Legible City von Jeffrey
Shaw oder dem kleinen PooL-Computernetz angekündigt sahen. Das
neue Schreiben, das neue Lesen, die neue Literatur und die neue
Kunst überhaupt - das alles stimmte für sie "mit den neuesten
Interpretationen der Quantentheorie" überein und "mit
der aktuellen Erkenntnistheorie des radikalen Konstruktivismus
(von Glasersfeld) und der evolutionären Erkenntnistheorie eines
H. Maturana". In der künstlerischen Interaktion mit Computern
sahen Weibel und Lischka die "Sequenzierung der Zeit in
Helix-Form", und Interaktivität wurde zum "Oberbegriff
für eine Vielzahl homeostatischer Prozeduren" erklärt,
"die eben für das Funktionieren komplexer dynamischer Systeme
notwendig sind. War die bisherige Kunst der starren Geometrie
des Verhaltens verpflichtet, löst die von der Technologie geforderte
und geförderte Interaktivität diese starre Geometrie auf und
wandelt sie in ein dynamisches Chaos um, in eine stabile Heterarchie
selbstorganisierender Systeme." Bei aller Verschwommenheit
solcher Formulierungen stand dem Organisatorengespann der Ars
eines klar und deutlich vor Augen: "Die Zukunft ist interaktiv.
Das interaktive Bild ist gekommen, um zu bleiben. Das interaktive
Bild ist die Zukunft." (5)
(5)
Alle Zitate aus Gerhard Johann Lischka, Peter Weibel: Polylog.
Für eine interaktive Kunst.
In: Im Netz der Systeme. Für eine interaktive Kunst: Ars Electroniva
Linz, Kunstforum international, Bd. 1O3, Sept./Okt. 1989, S.
65 - 86, hier: S. 78, 81, 80, 84.
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