Also
gut. Ich stand von meinem Klodeckelsitz auf und wühlte in meinem
Schminktäschchen nach dem Chanel Allure. Wen es hier kaltzustellen,
kaltzumachen galt, den alten Jungen oder den neuen Alten, war noch
nicht ausgemacht, da kochte was auf kleiner Flamme, vielleicht der
Hölle Rache, in meinem Herzen. Nichts jedenfalls, was man in
Freundinnengeplauder lösen und löschen konnte. Und so
suchte ich Zuflucht bei der größten gemeinsamen Selbstverständlichkeit
und nannte den Namen Jonathan von Zitzewitz.
Katja schwenkte sofort
auf meinen Ablenkungskurs. Zitzewitz, der Doppellispler, folgte
prompt im Duett. Der Rest ging auswendig, ein oft geübter Wechselgesang,
bei dem ich meine Gedanken ungehindert dem einmal ausgesprochenen
Namen überlassen konnte (Richard). Zwitschernd bürsteten
wir uns die Haare, tupften Parfümtropfen auf Hals, Schläfen
und Puls. Ich suchte die Kappen für meine Schminkstifte zusammen.
Jonathan also, der sich nach Erdmutes Abgang den Adelstitel selbst
entzogen und seinen allzu weichen Kern unter dem Pseudonym Johnny
Hartmann versteckt hatte, das sogar die Lehrer akzeptierten. (Und
Richard). Johnny, der als erster kommen und als letzter gehen würde,
Lückenbüßer, Strohhalm, unfreiwilliger Retter in
jeder heiklen, leeren Situation, erfüllte seine Rolle schon
jetzt. In Minuten verwandelte er uns wieder in Fünfzehnjährige
zurück. Johnny, den alle Mädchen liebten und den keine
wollte, immer fünftes Rad am Wagen und dennoch allseits begehrt,
unehelich, Muttersohn, später Schwuler ohne unsern Segen, Millionenerbe,
versponnen, einsam und ach so lieb. (Und Richard). Johnny das allzeit
belächelte Faktotum. Weiser Idiot Johnny. Knuddeliger keuscher
Jesus Johnny. Johnny würde einen Platz am Rand einnehmen, alsbald
Mittelpunkt, und, ohne sich von der Stelle zu bewegen, jedes Geschehen
kommentieren, zu dem man ihm das Stichwort gab. (Und Richard). Johnny,
der sich freundlich auslachen ließ für alle zynischen
Wahrheiten, die er und nur er aussprach, zarter besaitet und leichter
errötend, je mehr er trank, begnadetes Genie auf dem Weg zum
engültigen Scheitern
Jonathan beschäftigte uns,
bis wir ins Auto stiegen. Später, als wir auf die Außentreppe
von Waidmanns Ruh zuliefen, nahmen wir uns bei der Hand und kicherten.
Was wollen wir hier? fragte ich, weil ich nun wußte, was ich
wollte, und wußte, wie unsagbar kindisch es war (Liebe, Rache):
Komm, wir kehren um. Okay, sagte Katja - und dann zog eine die andere
zum Eingang.
Dies
ist der Morgen danach, ohne Zweifel. Was da von draußen einsickert,
zwischen Kacheln und Kabinen, Händetrockner und Heizungsrippen,
wird sich in ein paar Stunden zum Wintertageslicht aufhellen. Vielleicht
wird man den Hügel gegenüber sehen können, auf dem
das Haus steht, das mein Zuhause war. Am Heizkörper im Badezimmer
ist mein Trauerort gewesen. Wenn ich Kummer hatte, und das ging
natürlich mit der Liebe erst richtig los, schloß ich
mich dort ein.
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