Dabei
standen wir nicht zum ersten Mal als Erwachsene zusammen an einem
Waschbecken. In der brüllend heißen Dachwohnung in München,
wo ich sie ein paar Tage bei ihrem Zukünftigen besucht hatte,
zankten wir uns sogar im Badezimmer, bis der Spiegel einen Sprung
bekam, weil ich den Streitgegenstand dagegenwarf, einen schweren
altmodischen Naßrasierer, den ich heimlich für meine
Beine benutzt hatte. Ertappt und wütend wie ich war, begriff
ich doch sofort, daß ihre Empörung nicht so sehr der
Tatsache galt, daß ich Schaum und Klinge ihres Geliebten zweckentfremdet
hatte: Katja litt unter der schmerzlichen Erkenntnis, daß
ich solche Weibermätzchen mitmachte. Hinterrücks war ich
anders geworden als sie. Zehn Jahre war das ungefähr her. Und
jetzt überrumpelte sie mich damit, daß sie nicht anders
war als ich! Seelenruhig hatte sie die Kappen von allen meinen Kajal-
und Konturstiften gezogen, die ich zwischen dem Zahnputzbecher und
dem Rosenwässerchen ihrer Mutter auf den Porzellanrand gelegt
hatte; jetzt waren die Lippenstifte dran, und sie malte Probestriche
auf ihren Handrücken, während ich die Creme auf der Haut
verteilte.
Nie hatte ich Katja geschminkt
gesehen, und da ich es nicht erwartete, hatte ich es auch nie vermißt.
Möglich, daß ich ein fröhliches Anwältinnenblau
um die Wimpern übersehen hatte. Vielleicht hatte ich auf dem
einen oder anderen Empfang in ihrem Haus einen Kunstglanz auf ihren
Lippen mit dem Widerschein des üppigen Kerzenlichts verwechselt.
Ich erinnerte mich jedenfalls nur an lackierte Holzohrringe in Papageienfom
- und an die zum Gastgeberton erhobene Stimme. An etwas Ungläubiges
darin, als wollte Katja es nicht wahrhaben, daß Fleiß
und die richtige Gesinnung mit Reichtum belohnt werden können;
daß sich das Elend ihrer armen, hauptsächlich weiblichen
Mandanten, oder vielmehr ihr Engagement (Katja verwendete dieses
Wort) gegen dieses Elend in Sektflöten und Tiffanylampen verwandelte.
Die Lampen in meinem Elternhaus waren älter und schöner.
Vielleicht hingen deshalb in jeder meiner späteren Wohnungen
nackte Glühbirnen an den Decken. Als Katja schon in ihrem Haus
an der Isar wohnte, hatte ich mich immer noch nicht von den Achtzigern,
meinen Zwanzigern, verabschiedet: Ich benutzte weiterhin grüne
Wimperntusche, machte weiterhin Schulden und zerstritt mich mit
Arbeitgebern und Männern. Christoph, der letzte, hatte einmal
von sinnlosem Gefuchtel gesprochen - und damit meinte er nicht nur
meine abrupten Bewegungen. Katja dagegen hatte es weit gebracht,
mit klaren Gesten und guten Argumenten, die jede überflüssige
Körpersprache ersetzten. Schon als sie mit Tobias anfing, hatte
ich mich gefragt, ob bei ihr wohl das Küssen eine Fortsetzung
des Diskutierens sei, freundlich und beherrscht - und an dieser
Frage hatte sich bis zu ihrer Münchner Errungenschaft nichts
geändert.
Ich streifte den Make-up-Rest
von der Tubenöffnung und verrieb ihn im Ausschnitt. Nebenbei
registrierte ich, welche Farben sich Katja zurechtlegte, Blau, Magenta,
und überlegte, ob wir uns inzwischen ähnlicher geworden
waren.
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